Bookmark and Share

Abt Martin entfacht ein loderndes Feuer

Starke Zeichen und klare Worte schufen grosse Betroffenheit

ala. 17. November 2013. Ein kalter Wintertag hüllte das Kloster in eine trübe Nebeldecke. Mit dem sonntäglichen Konventamt beendete Abt Martin Werlen sein öffentliches Wirken. Von allen Seiten strömten Menschen zielstrebig der Klosterkirche entgegen. Eine halbe Stunde vor Beginn der Messe ist die Kirche voll. Hunderte von Gläubigen, Schulter an Schulter, bunt gemischt: Die älteste Generation war ebenso vertreten wie Familien mit Kindern und Jugendliche, etliche Twitter-Follower von @AbtMartin und auch Angehörige anderer Konfessionen. Dichte, bethafte Stille erfüllte den Kirchenraum.

Ein loderndes Feuer

Ohne bischöfliche Insignien von Mitra und Stab zog der Abt ein, als ganz normaler Zelebrant, der im Chorraum keinen erhöhten Stuhl braucht. Damit setzte er bereits eine erste symbolhafte Handlung, von denen noch einige folgen sollten.

Nach dem Kreuzzeichen und einer herzlichen Begrüssung forderte er die Gottesdienstgemeinschaft heraus, sich die Frage zu stellen, ob sie die Zeichen der Zeit ernst nehmen. Ob sie Gott ernstnehmen. In einer Schale im Chorraum wurde ein loderndes Feuer entzündet. Mitten in der Klosterkirche. Alles Unheilige soll ins Feuer der Liebe Gottes geworfen werden. Eindringlich und mehrstimmig erklang das Kyrie, gesungen von der Schola der Mönche. Ring den Gläubigen weitergegeben

Gleich zu Beginn seiner Predigt zog Abt Martin seinen Abtring vom Finger und gab ihn den Gläubigen in die Runde. Sie sollten sich das eingravierte Motto des Heiligen Benedikt – den ersten und letzten Satz seiner Regel – anschauen und einprägen: «Höre und du wirst ankommen.» Ein weiteres starkes und eindrückliches Symbol. Mit seinem unverkennbaren Schalk machte er gleichzeitig klar, dass der Gottesdienst erst mit dem Segen vollendet werde, wenn der Ring wieder bei ihm sei.

Eindringlich rief der Abt dazu auf, die Ohren des Herzens zu öffnen, denn: «Wer glaubt, sieht mehr. Wer glaubt, sucht hinter allem die Gegenwart Gottes.» Kritisch wies er auf die Gefahr hin, wie gerade heute der Glaube eine Parallelwelt bilden kann und dann die wirkliche Welt den Glauben nicht mehr herausfordert. Dann könne der Glaube nicht mehr Sauerteig in der Welt sein, weil man darum besorgt sei, alles beim Alten bleiben zu lassen. «So verleidet die Kirche – nicht wegen der bösen Welt, sondern weil das Feuer des Glaubens fehlt», analysierte er messerscharf die Zeichen der Zeit.

Mit dem Hinweis, Papst Franziskus betone, dass Gott ein Gott der Überraschung sei, leitete er zu ein paar eindrücklichen Episoden seiner zwölfjährigen Amtszeit über und gestand ein: «Selten ist es so herausgekommen wie ich es erwartet hatte. Wir sind nur dann wirklich Hörende, wenn wir uns immer wieder überraschen lassen. Unser Glaube ist nichts für Festgefahrene. Unser Glaube ist nicht Asche, sondern Glut, knisterndes Feuer.» Mit drei Zeichen der Hoffnung, die er im Jahr des Glaubens erlebt habe, wahre Wunder mitten im All-tag, beendete Abt Martin seine Predigt.

Der Gottesdienst endete pünktlich um 11 Uhr – der Ring war wieder im Altarraum am Finger bei Abt Martin angekommen. Und seine Zeichen wie seine Predigtgedanken in den Herzen der Gottesdienstbesucher.

Die Predigt vom vergangenen Sonntag ist im Internet veröffentlicht und findet sich unter: www.kloster-einsiedeln.ch

Im Konventamt feierte Abt Martin den Abschluss des Jahres des Glaubens und beendete seine Amtszeit als Abt. Ein letztes Mal setzte er starke Zeichen. Und entfachte mit Worten und Taten ein loderndes Feuer.

«Wer glaubt, sieht mehr»: Abt Martins Worte im letzten Pontifikalamt als Vorsteher des Klosters. Foto: Franz Kälin

Bookmark and Share